X.   Die Heiligen

 

 

 

1. Maria

 

 

Mutter Teresa und Frère Roger:

 

„Im Alter sagte der Evangelist Johannes immer wieder: Gott ist Liebe.

Wir alle können den anderen Menschen die Liebe Jesu Christi bringen und Sauerteig der Versöhnung nicht nur unter den Glaubenden, sondern in der ganzen Menschheitsfamilie sein.

Unsere Wohnung, und sei sie noch so bescheiden, soll wie das  Haus von Maria in Nazareth werden: ein Ort der Gastfreundschaft, an dem man gemeinsam betet, an dem man sich versöhnt.

Und Maria wird uns zur ,Mutter der Versöhnung’ werden.“ [231]

 

 

Mutter Teresa:

 

Mutter Teresa war mit Maria auf sehr innige Weise verbunden.

Schon in ihrer Familie wurde die Mutter des Herrn sehr verehrt, und gemeinsam nahmen sie alljährlich an der Wallfahrt zur Kapelle der Madonna von Letnice teil.

 

Mit Maria fühlte sich Mutter Teresa auch vereint , als sie, so wie das einfache  Mädchen aus Nazareth zu ihrer Cousine Elisabeth, aufbrach, um den Menschen, die ihn noch nicht kannten, Jesus zu bringen.

Ihr eigener Weg führte sie nach Indien, und auch in diesem von den Religionen tief geprägten Land wartete man natürlich sehnsüchtig auf die Erlösung, die nach christlichem Verständnis in der Person Jesu Christi jedem Menschen guten Willens offen steht.

 

Ihren eigenen Orden schließlich stellte Mutter Teresa unter den Schutz und die Fürbitte Marias, die den Schwestern in allem, besonders aber in ihrem Glauben und ihrer Demut, ein Vorbild sein sollte.

Wenn sie ein neues Haus in Besitz nahm, tat sie dies, indem sie eine wundertätige Medaille auf das Grundstück warf, und auch allen ihren Gästen schenkte sie eine solche.

Der Rosenkranz gehört zu den Grundgebeten der Gemeinschaft, insbesondere weil er auch bei den verschiedenen Tätigkeiten der Schwestern und auf ihren vielen Wegen gut gebetet werden kann.

 

„Im Evangelium lesen wir, dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16).

Er gab ihn einer jungen, einfachen Frau aus dem Volk. Sie war das reinste, das heiligste menschliche Geschöpf.

Und sie sagte, als sie ihn empfing (sie wusste, wer er war):

,Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.’“ [232]

 

„Im Geheimnis der Verkündigung und bei ihrem Besuch bei Elisabeth steht Maria vor uns als Vorbild. Sie hat Jesus in ihr Leben aufgenommen, dann machte sie sich eilends auf den Weg zu ihrer Cousine Elisabeth. Was sie empfangen hatte, musste sie weitergeben.

Wie Maria sollt auch ihr das Wort, das ihr in der Meditation empfangen habt, sofort weiterschenken.“ [233]

 

 

 

Frère Roger.

 

Aus dem evangelischen Raum kommend hatte Frère Roger natürlich auch zu Maria einen etwas  eingeschränkten Zugang erhalten, doch findet sich keine Erwähnung einer strikten Ablehnung der Marienverehrung in seiner Umgebung.

Er selbst hat hier in meisterhafter Weise die richtige Mitte gefunden, die auf das biblische Fundament gegründet ist, und die Entfaltung des christlichen Lebens in der Tradition mitberücksichtigt.

 

In seinem ständigen Bemühen um den Frieden in der Gemeinschaft der Christen, dient ihm Maria natürlich als das Urbild der mütterlichen und barmherzigen Kirche.

In auffallendem Maße fühlen sich wohl auch deshalb Angehörige der orthodoxen Kirche von Taizé angezogen und suchen dort nach Stärkung ihres Glaubens, der doch sehr stark von der Liebe zur Gottesmutter geprägt ist.

 

Frère Roger selbst berichtet schließlich von einer älteren Frau aus Taizé namens Marie Auboeuf, die ihn schon in den ersten Tagen nach seiner Ankunft in Taizé 1940 sehr gastfreundlich empfing. Diese herzensgute Mutter von zehn Kindern erzählte ihm einmal, viele Jahre vor seiner Ankunft sei ihr eines Nachts, als sie den Rosenkranz betete, die Jungfrau Maria erschienen. Am nächsten Morgen stellte sie beim Aufstehen fest, dass sie von einer Hüftlähmung geheilt worden war, die sie beim Gehen und bei der Hausarbeit zunehmend behindert hatte.

Frère Roger schließt die Erzählung mit den Worten: „Diese Marienerscheinung ereignete sich in Taizé, lange bevor ich auch nur den Namen dieses Dorfes kannte. Dennoch ist sie bis heute ein prägendes Ereignis geblieben.“ [234]

 

 

„Manchen Denkern des Christentums gelingt es, Gott als einen Feind des Lebens hinzustellen, als einen Gott, der straft, um Angst einzujagen und sich Respekt zu verschaffen. Sie reißen einen Abgrund auf.

Immer war die Jungfrau Maria zur Stelle, um diese Leere zu erfüllen. Sie wird nie so dargestellt, als wollte sie sich durch Drohungen durchsetzen und angst machen.“[235]

„Viele Jahrhunderte hindurch, seit den Anfängen der Kirche, seit Maria und den Aposteln, war die Mütterlichkeit der Kirche ungeteilt. Kann diese unverzichtbare Mütterlichkeit dadurch ausgelöscht werden, dass in einem bestimmten Augenblick Trennungen auftreten?

Hält Maria in ihrer Mütterlichkeit nicht den Weg einer Umkehr des Herzens offen?

Je mehr die Kirche nach dem Bild Marias lebt, desto mütterlicher wird sie, desto mehr kann man in ihr neu aus Gott geboren werden, eine Versöhnung vollziehen.“ [236]

 

 

 

2. Franziskus

 

 

Mutter Teresa:

 

Mutter Teresa war mit dem heiligen Franziskus auf zweifache Weise verbunden:

Durch die Liebe zum Beten und die Liebe zum Lachen.

 

Ihre Rede anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises am 11. Dezember 1979 begann sie mit folgenden Worten:

„Da wir nun hier zusammengekommen sind, um Gott für den Friedensnobelpreis zu danken, denke ich, es wäre schön, das Gebet des heiligen Franz von Assisi zu sprechen, das mich immer wieder erstaunt. Wir sprechen dieses Gebet jeden Tag nach dem Abendmahl, denn es passt tatsächlich zu jedem einzelnen von uns sehr gut.

Und ich wundere mich immer wieder, dass man vor 400 oder 500 Jahren, als der heilige Franziskus dieses Gebet verfasste, dieselben Probleme hatte wie wir, die wir heute dieses Gebet sprechen. Es passt auch genau zu uns. Ich glaube, dass es einige von Ihnen bereits vor sich haben. Lassen Sie uns also gemeinsam beten:

 

Mach uns würdig, Herr, unseren Mitmenschen in der ganzen Welt zu dienen, die in Armut und Hunger leben und sterben.

Gib ihnen durch unsere Hände heute ihr tägliches Brot, durch unsere verstehende Liebe Frieden und Freude.

Herr, mach mich zu einem Boten Deines Friedens,

dass ich dort, wo Hass ist, Liebe bringe; wo Unrecht herrscht, den Geist des Verzeihens;

wo Uneinigkeit ist, Einigkeit; wo Verzweiflung ist, Hoffnung; wo Schatten sind, Licht;

wo Traurigkeit ist, Freude.

Herr, gewähre, dass ich suche, eher zu trösten, als getröstet zu werden; zu verstehen, als verstanden zu werden; zu lieben, als geliebt zu werden;

denn durch Selbstvergessen findet man; durch Verzeihen erlangt man Verzeihung;

durch Sterben erwacht man zum ewigen Leben. Amen.“ [237]

 

Ein anderes Gebet des heiligen Franziskus, das auch in der „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen zitiert wird[238], legte sie ihren Schwestern ans Herz, damit sie jeden Tag mit neuer Entschlossenheit und neuem Eifer lebten, als wäre es der erste Tag ihrer Bekehrung:

„Herr, Gott, hilf mir in meinem guten Vorsatz und in deinem heiligen Dienst, gib mir die Gnade, heute neu zu beginnen, denn was ich bislang getan habe, ist nichts.“ [239]

 

1982 sprach sie vor einer Versammlung in Assisi zum Abschluss einer Feier zum

800. Geburtstag des Franziskus und nannte ihn einen, der uns das Beten gelehrt hat.

 

Ihr Biograph Malcolm Muggeridge schreibt zum Thema Lachen und Heiterkeit:

„Ich bin überzeugt, dass einer der Gründe für ihre Liebe zu den Armen darin liegt, dass sie mehr lachen als die Reichen, die mehr auf Ernst und Würde bedacht sind.

 

 

Mutter Teresa betont, ein frohes Gesicht gehört wesentlich zur christlichen Liebe, und ihre Missionarinnen der Nächstenliebe werden angehalten, ihre Häuser vom Lachen widerhallen zu lassen, wie es seinerzeit auf den Straßen Umbriens geschah, auf denen der hl. Franziskus mit seinen Gefährten einher

zog.

In jedem Heiligen steckt etwas von einem Clown und umgekehrt. Was ist schließlich ein Heiliger, wenn nicht ein transzendentaler Clown, der beim Sich- Öffnen der Tore zur ewigen Seligkeit himmlisches Lachen und himmlische Musik hört?

Im Herzen des Universums entdeckt er nicht nur etwas Geheimnisvolles, sondern auch etwas Frohes.“ [240]

 

Ganz wesentlich sind Franziskus und Mutter Teresa auch durch ihr bedingungsloses Leben der Armut und des kindlichen Vertrauens auf Gott miteinander verbunden.

An mehreren Stellen dieser Arbeit wird der heilige Franz von Assisi erwähnt, weil die große geistliche Nähe der fast achthundert Jahre später lebenden Mutter Teresa einen Vergleich mit ihm geradezu aufdrängt.

 

 

 

 

Frère Roger:

 

Ganz zu Beginn der Communauté genügte den Brüdern eine Reihe von Zitaten aus den Evangelien als Richtschnur des täglichen Lebens - nach dem Muster der Ordensregel des heiligen Franziskus.

Erst drei Jahre später entstand eine richtige Regel, langsam zur Frucht gereift, ohne Zwang und Details, gedacht nicht als die große Idee eines religiösen Genies, sondern als Zusammenfassung der im Lauf der ersten Jahre gemeinsam gemachten Erfahrungen.

 

Ein Journalist erwähnte einmal, dass Frère Roger manchmal mit Franz von Assisi verglichen wird und fragte ihn, was er davon halte. Dieser antwortete:

„So etwas kommt mir nicht in den Sinn. Wenn man mir übertriebene Dinge sagt, wechsle ich das Thema. Wenn man mir für den Geist von Taizé dankt, antworte ich, dass es keinen Geist von Taizé gibt.

Manche gehen mich um Autogramme oder ähnliche Albernheiten an . Ich sage Ihnen, dass sich ein Mann der Kirche so zu verhalten hat, dass sich das Interesse nicht auf ihn, sondern auf jene Wirklichkeit richtet, auf die es allein ankommt.

Ich bin ein armer Diener und bleibe es bis an mein Lebensende.[241]

 

Einem Bruder zufolge hatte selbst Papst Paul VI. einmal eine Parallele zwischen Taizé und Assisi gezogen. Diesem Vergleich begegnen die Brüder recht zurückhaltend.

Einer von ihnen meint dazu: „Viele von uns begeistert die Gestalt Franz von Assisi, die freie, spontane Lebensart lässt sich wohl auch mit der unseren vergleichen.

Franziskus lebte ebenfalls in einer wirren Zeit der Kirche und trat für Änderungen ein, ohne sich von ihr zu trennen. Aber es ist immer eine gewagte Sache, quer durch die Geschichte Vergleiche zu ziehen.“ [242]

 

 

„Es gibt in der Geschichte einen Zeugen einer echten Reform, Franz von Assisi.

Er hat für die Kirche gelitten und hat sie nach dem Beispiel Christi geliebt.

Er hätte die Institutionen, die Gewohnheiten, die Verhärtung mancher Christen seiner Zeit richten können. Aber genau das hat er nicht gewollt.

Er hat es vorgezogen, dem, was er wollte, abzusterben. Er hat mit einer brennenden Geduld gewartet.

Und seine Erwartung, die vor Liebe brannte, hat eines Tages wirkliche Erneuerung hervorgerufen.“ [243]

 

 

 

3. Thérèse von Lisieux

 

 

Mutter Teresa:

 

Agnes Bojaxhiu wählte bei ihrem Eintritt in den Loreto-Orden den Namen Theresa im Gedenken an die „kleine“ Theresa.

Sie wollte eins sein mit der Heiligen, die gesagt hatte:

„Heiligkeit hat nichts mit diesem oder jenem frommen Verhalten zu tun; sie beruht  auf einer Neigung des Herzens, die uns klein und demütig in den Armen Gottes macht, unserer Schwäche bewusst und dennoch voll kühnen Vertrauens auf die Güte unseres Vaters.“ [244]

 

Andere sahen in ihr auch eine Nachfolgern der „großen“ heiligen Teresa von Avila, einer dynamischen und entschlossenen Frau, die stets bereit war, loszuziehen und neue Niederlassungen zu gründen.

 

Sehr schön lässt sich am Beispiel von Theresa von Lisieux und Mutter Teresa  erkennen, wie stark die Christen, als verschiedene Glieder des einen Leibes Christi, aufeinander bezogen sein können.

In vielen ihrer Worte kommt die Liebe zur Einfachheit zum Ausdruck, und der

„eine Geist“, der alles bewirkt (vgl. 1Kor 12,11) hat sicherlich durch Theresa von Lisieux

Mutter Teresa oftmals inspiriert.

 

Als ein Beispiel unter vielen mögen die folgenden Zeilen dienen:

 

„Wir dürfen die niederen Arbeiten nicht scheuen, denn es ist die Arbeit, die niemand sonst tun will. Sie kann gar nicht gering genug sein.

Wir sind so klein, und wir betrachten die Dinge im kleinen. Gott aber, der allmächtig ist, sieht alles im großen.

Es sind kleine Dinge, die du tun kannst: einen Brief schreiben für einen Blinden oder einfach bei ihm sein und ihm zuhören, jemanden besuchen, jemandem Blumen bringen, für jemanden Kleider waschen oder das Haus putzen.

Ganz einfache Arbeit, das ist es, was wir, du und ich, tun müssen.

Es gibt viele, die Großes tun können, aber wenige, die die kleinen Dinge verrichten wollen.“ [245]

 

 

„Wenn man ein christliches Leben führt, sorgt man dafür, dass der Glaube wächst.

Es gibt viele Heilige, die uns vorangegangen sind, um uns zu leiten, aber ich mag die einfachen unter ihnen besonders gern, wie die heilige Theresa von Lisieux, die kleine Blume Jesu.

Ich habe sie zur Namenspatronin gewählt, weil sie gewöhnliche Dinge mit außergewöhnlicher Liebe getan hat.“ [246]

 

 

 

Frère Roger:

 

Es darf hier an die Ausführungen im Abschnitt über die Einfachheit erinnert werden.

Eine ausdrückliche Erwähnung der kleinen Thérèse ist bei Frère Roger nicht zu finden, aber  ihr zartes Wesen und der Sinn für Stille und Einfachheit verbinden die beiden doch sehr.

Am deutlichsten wird ihre geistige Nähe aber in ihrem echt apostolischen, friedlichen Eifer, Jesus zu den Menschen zu bringen.

 

 

 

 

4. Charles de Foucauld

 

 

Mutter Teresa:

 

Einer der heiligmüßigsten, noch nicht heilig gesprochenen Männer der letzten Jahrhunderte ist sicherlich Charles de Foucauld.

Für ihn gilt dasselbe, was auch über Thérèse von Lisieux gesagt wurde.

Mutter Teresas tiefe Seelenverwandtschaft mit ihm lässt sich an ihren eigenen Worten erkennen:

 

„Lasst uns heute, wo viele Werte in Frage gestellt und abgelehnt werden, nach Nazareth zurückgehe. Jesus ist gekommen, die Welt zu erlösen und uns die Liebe seines Vaters zu zeigen.

Wie merkwürdig, dass er dreißig Jahre nichts Großes vollbracht hat, dass er seine Zeit vergeudete, seine Persönlichkeit und Talente nicht entfaltete!

Wir wissen, dass er im Alter von zwölf Jahren die Weisen des Tempels in Erstaunen versetzte

(vgl. Lk 2,46f). Doch als seine Eltern ihn fanden, ging er wieder nach Nazareth und war ihnen gehorsam. Zwanzig Jahre lang hören wir nichts mehr von ihm, so dass die Leute sich wunderten, als er plötzlich begann, in der Öffentlichkeit zu predigen.

Er, der Sohn eines Zimmermanns, hat zwanzig Jahre lang die einfachen Arbeiten in einer Schreinerei getan!“ [247]  

 

„Es ist zwar gut, die Werke der Heiligen und anderer heiliger Menschen zu studieren und zu lesen (eines meiner Lieblingsbücher ist ,Entschlüsse aus der Stille’ von Charles de Foucauld), doch wir stellen fest, dass Gott uns alles, was wir lernen müssen, durch unsere Handlungen und unsere Arbeit lehrt.“ [248]

 

 

 

Frère Roger:

 

1949 wollte die Fraternität der Kleinen Brüder Jesu von Charles de Foucauld, etwa zur gleichen Zeit wie Taizé entstanden, die jungen Brüder für ihr Postulat nach Taizé senden; sie erhielt jedoch nicht die dafür erforderliche Zustimmung der katholischen Kirche. Es war noch zu früh.

Später lebten einige Benediktiner und Franziskaner eine Zeitlang in der Nähe der Communauté.

 

Frère Roger schrieb dazu anlässlich des Besuches eines Paters der Kleinen Brüder am 29. April 1970 in sein Tagebuch:

„Gestern hatte ich Besuch von Pater V. Nie zuvor war unsere Übereinstimmung so tiefgehend.

Ich erinnere ihn daran, dass wir 1949 mit dem Postulat der Kleine Brüder Jesu gerechnet haben.

Doch wurde es von der katholischen Hierarchie abgelehnt.

Ich war mir damals klar darüber, dass ihr Kommen uns auf einen gemeinsamen Weg bringen kann. Ich sagte mir: Welchen Sinn hat es, eine neue Gemeinschaft ins Leben zu rufen, wenn die Kleinen Brüder von Charles de Foucauld eine uns nah verwandte Berufung leben?

Wir konnten sie nicht bei uns aufnehmen und waren genötigt, ohne sie die ökumenische Berufung reifen zu lassen und dahin zu kommen, wo wir heute stehen. Ich blicke noch heute mit der gleichen Bewunderung auf sie wie am ersten Tag.“ [249]

 

1965 wurde in der Nähe der Versöhnungskirche ein Gästehaus gebaut, das den Namen

„El Abiodh“ erhielt, nach dem Haus in der Sahara, in dem Charles de Foucauld gelebt hatte.

 

Als Frère Roger 1977 gemeinsam mit einer Gruppe von Jugendlichen mehrere Wochen in einem „schwimmenden Slum“ im Hafen von Hongkong verbrachte, hatten die Kleinen Schwestern Jesu, die bereits einige Jahre dort wohnten, das ärmliche Quartier ausfindig gemacht:

eine alte Dschunke und einen Verschlag, der auf Pfählen im schmutzigen Wasser stand. 

Seitdem die Gründerin, Kleine Schwester Magdeleine, Taizé in den vierziger Jahren besucht hatte, bestand schon eine enge Beziehung zwischen den beiden Gemeinschaften.

Frère Roger meinte damals: „Immer wollen wir bei solchen Aufenthalten in der Nähe der Kleinen Schwestern wohnen und wie sie mitten in der Not, unter den Allerärmsten, ein kontemplatives Leben führen.“ [250]

 

 

 

 

 5. Johannes XXIII.

 

 

Mutter Teresa:

 

Hier sei in aller Kürze eine Begegnung Mutter Teresas mit dem seligen Papst ihm geschildert.

Im November 1960 reiste die Generaloberin nach Rom, um dort die päpstliche Anerkennung der Gemeinschaft zu erbitten. Bei der persönlichen Begegnung mit Johannes XXIII. war sie dann aber so aufgeregt, dass sie nur um seinen Segen zu bitten wagte.

Der zuständige Kardinal nahm die Angelegenheit aufgrund seiner Hochschätzung Mutter Teresas selbst in die Hand, und die Anerkennung wurde dem Orden schließlich unter Paul VI. zuteil.

 

 

 

Frère Roger:

 

Einige Zeilen zu dem großen Papst dieses Jahrhunderts und seiner Beziehung zur Gemeinschaft von Taizé sind schon in dem Kapitel über die Kirche geschrieben worden.

An dieser Stelle soll noch kurz Frère Roger selbst zu Wort kommen, der den heiligmäßigen Hoffnungsträger einer ganzen Generation persönlich gut kannte: 

 

„Ein Mann mit Namen Johannes, alt, traditionsverhaftet, übernimmt das Amt des Bischofs von Rom und wird dadurch zum Hirten aller. Er weiß um seine Verantwortung und wird so zu dem, den wir alle kennen gelernt haben.

Durch das Leben dieses Menschen, dessen Wandlung wir im Laufe der Jahre beobachten konnten, ereignet sich etwas Ungewöhnliches in der Kirche.

Und es soll noch Ungewöhnlicheres kommen. Er war ein Vorläufer. Er hat eine Tür geöffnet.

ein erster Frühling kündet sich an...“ [251]

 

„Bei unserer letzten Audienz bei Papst Johannes XXIII. sagte dieser zu uns:

,Um meine Entscheidungen vorzubereiten, halte ich einfach, demütig Zwiesprache mit Gott...’

Und wir wissen, welche Tore eine solche Zwiesprache zur Welt geöffnet hat.“ [252]

 

„Je älter ich werde, desto mehr suche ich das Fest in den Zeugen, auf die ich mich stütze.

Oft lese ich zwei oder drei Worte von Johannes XXIII.

Ich habe ihn geliebt , und das war gegenseitig.

Ich brauche sein Gesicht, und ich habe Vertrauen in sein Gebet.

Er ist in der Ewigkeit Gottes.“ [253]

 

 

 

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